Museen in und um Köln


Agfa Foto-Historama


FOTOGRAFDas große Kölner Museum zwischen Dom und Rhein hat den etwas umständlichen Namen "Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig mit Agfa Foto-Historama". Während die beiden Kunstsammlungen weltbekannt sind, können sich die wenigsten Besucher etwas unter dem Agfa Foto-Historama vorstellen, und nur wenige finden den Weg dorthin.
Vielleicht liegt das auch an der etwas versteckten Lage der drei kleinen Ausstellungsräume, die eine Auswahl aus der immerhin größten photographiegeschichtlichen Sammlung in Deutschland präsentieren. Deshalb zunächst einmal eine Wegbeschreibung: Man steigt über die große Freitreppe in die erste Etage (oder fährt mit dem Aufzug hinauf), durchquert dann die links hinter dem Treppenhaus beginnende Gemäldegalerie bis zu den Impressionisten und und begibt sich am Ende der Hauptachse wieder eine Etage tiefer. In jedem Fall erreicht man dann am Ende eines Ganges einen Raum, der den Besucher gewissermaßen mit dem "roten Teppich" empfängt. Auf dem Boden ist die stark vergrößerte Photographie einer Gladiole angebracht; dieser "Läufer" führt direkt auf das riesige Objektiv einer begehbaren Kastenkamera zu.
Natürlich handelt es sich nur um ein Modell. Es wurde eigens für das Agfa Foto-Historama gebaut. Die Originale sind um es herum plaziert. Im Inneren diese ungewöhnlichen Kabinetts aus dunklem Holz ist eine Art Wunderkammer aus der Anfangszeit der Photographie eingerichtet worden. Zu diesem Kuriositätenkabinett zählen Miniatur- und Spielzeugkameras (darunter der Klassiker "Minox"), Geheimkameras (u.a. eine Knopflochkamera und ein als Streichholzschachtel getarnter Photoapparat), Schmuck (z.B. Medaillons mit photographischen Miniaturen) und ein Stereobetrachter für erotische Aktfotos.
Das meiste stammt aus der Sammlung des Wissenschaftlers und Photographiehistorikers Erich Stenger, dem wir rund die Hälfte des Bestandes verdanken. Am 6. August 1906 erwarb der promovierte Chemiker seine erste Daguerrotypie. Als er 1955 seine Sammlung an die Firma Agfa in Leverkusen verkaufte, war sie zu einer der bedeutendsten Sammlungen zur Geschichte der Photographie herangewachsen. Dazu gehören Beispiele aller photographischen Verfahren (Daguerrotypien, Ambrotypien, Ferrotypien, Salz- und Albuminabzüge), Alben und Mappenwerke berühmter Photographen (Henry Fox Talbot, David Octavius Hill, Maxime Du Camp, Auguste Salzmann), aber auch Randbereiche wie Karikaturen, Nippesfiguren und mit Fotos verzierte Krüge, Tassen, Teller und andere Gebrauchsgegenstände.

Seeber Agfa erweiterte die Sammlung; 1969 wurden 305 Porträts des Photographen Hugo Erfurth erworben. 1971 kamen 1.000 Kameras aus dem Besitz von Hanns Weidel aus Düsseldorf zu der Bildersammlung hinzu. Schließlich wurde die Gerätesammlung durch die Uuml;bernahme des Archivs der Agfa Kamera Werke München erheblich aufgestockt. Inzwischen verfügt das Agfa Foto-Historama - unter diesem Namen präsentierte man die Sammlung 1974 erstmals der Öffentlichkeit - über mehr als 12.000 Fotos, rund 3.000 Bildbände sowie 20.000 Kameras und andere Geräte (Diaprojektoren, Vergrößerungsgeräte, ja sogar komplette Ateliereinrichtungen). Seit das Agfa Foto-Historama 1985 in den Neubau des Kölner Museums einzog, konnte der inzwischen noch erweiterte Bestand in mehreren thematischen Ausstellungen vorgestellt werden. Die bisher größte Schau fand im Sommer 1989 in der Josef-Haubrich-Kunsthalle statt; unter dem Titel "Silber und Salz" wurde die Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum von 1839 bis 1860 dokumentiert.

Die Museumsräume können zwar nur einen Bruchteil der Sammlung aufnehmen, zeigen aber dennoch einen repräsentativen Querschnitt. Didaktische Tafeln erläutern auch für den technischen Laien verständlich die verschiedenen Verfahren der Photographie und geben einen Uuml;berblick über ihre Geschichte und ihre Anwendungsbereiche.
Unter den Ausstellungsstücken befinden sich wahre Raritäten wie die "Dubroni Nr. 1"; der 1864 in Paris gebaute Apparat gilt als die erste Sofortbildkamera der Welt. Auch ein Exemplar der ersten Amateurkamera ist ausgestellt: Die Boxkamera von Eastman Kodak für 100 Aufnahmen auf Rollfilm wurde 1888 zum Verkaufsschlager in den USA, was wohl nicht zuletzt dem einprägsamen Werbeslogan zu verdanken war: "You press the button, we do the rest." War der Film verknipst, schickte man ihn samt Kamera ein und bekam die Box zusammen mit den entwickelten Bildern und einem neuen Film zurück.

Eindrucksvoll ist das von dem türkischen Photographen Pascal Sebah 1880 aufgenommene "Panorama von Konstantinopel, aufgenommen vom Galaturm". Eine stark vergrößerte Reproduktion des aus zehn Teilen (Einzelbild 25,1 x 33,8 cm) bestehenden Leporellos ist im zweiten Ausstellungsraum zu sehen. Das Bild weist auf die Bedeutung der Reisephotographie im 19. Jahrhundert hin. Inwieweit die Photograhie schon in ihrer Frühzeit die Reiseziele der Touristen entscheidend beeinflußte, war 1988 Thema einer Sonderausstellung ("An den süßen Ufern Asiens"), in der auch das Konstantinopel-Panorama gezeigt wurde. Freilich konnte im 19. Jahrhundert noch niemand ahnen, daß später für viele Reisende die Urlaubsfotos fast wichtiger werden sollten als das Urlaubserlebnis selbst.

Daß zu Beginn unseres Jahrhunderts auch schon Luftaufnahmen gemacht werden konnten, zeigt eine Mini-Kamera mit Selbstauslöser, die man an einer (lebenden) Brieftaube befestigte. Die Brieftaubenkamera wurde tatsächlich im Ersten Weltkrieg für die "Luftaufklärung" eingesetzt!

Den beiden Kabinetten mit ihrer ständigen photographiegeschichtlichen Präsentation schließt sich die "Galerie" an: im dritten Raum werden kleine Sonderausstellungen gezeigt. Anläßlich des 75. Geburtstages von Prof. Dr. Erich Stenger ehrte die Gesellschaft Deutscher Lichtbildner den Jubilar 1953 mit "Photographen im Porträt", die 1995 dort erstmals geschlossen gezeigt wurden.

Es bleibt zu hoffen, daß das Agfa Foto-Historama bald ein neues, größeres Domizil bekommt, das seiner Bedeutung und seinem Umfang gerecht wird - vielleicht gar in einem eigenen Institut zur Dokumentation und Erforschung der Kulturgeschichte der Photographie? Köln wäre sicherlich der ideale Standort dafür. Die Stadt hat sich mit der seit 1950 alle zwei Jahre stattfindenen "photokina" bei allen an der Photographie Interessierten weltweit einen Namen gemacht. Sie besitzt überdies mit der "Sammlung Gruber" und dem Nachlaß von Chargesheimer im Museum Ludwig einen umfangreichen Bestand an Fotos als künstlerisches Medium. Hinzu kommen Fotogalerien (z. B. Galerie "in focus") und freie Ausstellungsräume (Galerie Lichtblick, Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur). Leider hat es die erst vor etwas über 150 Jahren entstandene Photographie immer noch schwer, als Kulturgut anerkannt zu werden.

Das Agfa Foto-Historama ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt € 7,70, ermäßigt €4,10; darin ist der Zugang zur Schausammlung des Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig. Dies gilt nicht für Sonderausstellungen, deren Eintrittspreise von Fall zu Fall festgelegt werden. enthalten.

Agfa Foto-Historama


aus: Yvonne und Thomas Plum: Kunst, Kakao und Karneval - was Museen in und um Köln zeigen.
J.P. Bachem Verlag. Köln 1995

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